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Rechnungsbuch der Propstei Saint-Ursanne 1503

                                                                                                                                                  Autor: Nicola Lang

 

Saint-Ursanne hatte als Propstei des Bistums Basels im Sinne der Grundherrschaft das Recht, Abgaben von der Bevölkerung der unterstellten Regionen einzufordern. Dazu gehörten Zins und Gült, Frondienste oder auch den Zehnten (Andermann, Fouquet 2016: 41). Die Propstei umfasste die Gebiete des heutigen Clos du Doubs und ein Teil der Hochebene der Freiberge (Franches-montagnes) (Prongué 2012). Ursprünglich unterstanden ihr vierundzwanzig Dörfer, teilweise sogar nur in der Grösse von Dinghöfen (Bühler 1972: 2). Für die Rechnungsablage dieser geistlichen Grundherrschaft war der Schaffner, auch Statthalter oder Ammann genannt, als wichtiger Beamter zuständig (Tremp 2012). Es ist wichtig zu erwähnen, dass sich die gemachten Erläuterungen auf die geistliche Herrschaft beschränken. Die weltliche Herrschaft befand sich in der Vogtei Saint-Ursanne, welche neben dem Gebiet der Propstei auch andere Gebiete umfasste und ebenfalls andere Rechte hatte. Die Vogtei Saint-Ursanne war also ein weltliches Herrschaftsgebiet, dass sich im Hochstift Basel (ebenfalls weltlich) befand und diesem direkt untergeordnet war. Auf die weltliche Herrschaft in Saint-Ursanne wird jedoch nicht weiter eingegangen, da das untersuchte Rechnungsbuch sich auf Abrechnungen der Propstei beschränkt. Es ist jedoch äusserst schwierig, gerade bei solchen kleineren, ärmeren Regionen eine klare Trennung zwischen geistlicher und weltlicher Verwaltung zu ziehen. Laut Jean-Claude Rebetez, dem Archivar des «Archives de l’ancien Evêché de Bâle» aus dem auch die vorgelegte Quelle stammt, mussten gerade ärmere Regionen die Verwaltung aus Geldmangel zusammenlegen.

Die untersuchte Quelle ist ein Rechnungsbuch der Propstei Saint-Ursanne, in der Quelle als Sant Ursizien bezeichnet, aus dem Jahre 1503. Die Abrechnung verfasste, wie auf dem Quellbild zu erkennen ist, Walther Belorsier. Nach genauer Recherche liess sich die Bürgerfamilie Belorsier aus Saint-Ursanne ermitteln. Aus ihr gingen sowohl Notare und Offiziere als auch Geistliche des Fürstbistums Basel hervor. Einer der Belorsiers wird als Gauthier II. erwähnt, welcher den Quellen zufolge zwischen 1475-1488 Statthalter der Propstei Saint-Ursanne und zwischen 1497-1512 Vogt von Saint-Ursanne war (Prongué 2002). Die Übersetzung der Namen vom Französischen ins Deutsche war damals üblich und erklärt, warum Gauthier in dieser Quelle als Walther bezeichnet wird. Es verwirrt jedoch, dass er sich selbst als Vogt und Schaffner bezeichnet, obwohl er anderen Quellen zufolge, wie vorher schon erwähnt, um 1503 gar nicht Schaffner, oder eben Statthalter, war. Diese Unklarheit kann hier nicht aufgelöst werden. Es kann nur spekuliert werden, dass zur Zeit als er Vogt war auch das Amt des Statthalters bekleidete, dies jedoch nicht genauer erläutert wird.

Adressiert ist das Rechnungsbuch an «hrn Christophell bischoff zu Basel». Dabei handelte sich um Christoph von Utenheim, der von 1502 bis 1527 Bischof von Basel war (Bessire, Prongué 1977: 86). Daraus ist zu schliessen, dass Gauthier Belorsier als Vogt und Schaffner darüber Rechnung legen musste, welche Einnahmen und welche Ausgaben die Propstei verzeichnete. Es kann durch konkrete Hinweise in der Quelle darauf geschlossen werden, dass es sich um die Rechnungen der Propstei handeln muss, da mehrfach das Wort «propstie» genannt wird. Eine zukünftige Forschungsarbeit könnte somit untersuchen, ob auch Rechnungsbücher für die weltliche Herrschaft, also die Vogtei, angefertigt wurden. Dadurch könnten nicht nur territoriale Unterschiede aufgezeigt, sondern auch Differenzen (oder Similaritäten) in der Verwaltung und den Amtsträger analysiert werden.

Die momentane Annahme geht nun davon aus, dass die vorliegende Quelle der geistlichen Verwaltung angehört, Gauthier II. Belorsier zu dieser Zeit jedoch die Verwaltung von Saint-Ursanne sowohl der Propstei als auch der Vogtei übernahm, was auch durch die Angabe von Vogt und Schaffner in der Quelle zu erklären ist. Die Quellen belegen ebenfalls, dass die Pfründe gering waren und die Einnahmen zu dieser Zeit zurückgingen, was eine zusammengelegte Verwaltung erklären kann.

Es stellt sich nun die Frage, warum Gauthier Belorsier den Bischof direkt adressierte. Die Annahme besteht darin, dass sich darin genau die bischöfliche Verwaltung sowohl der Diözese als auch des Hochstifts widerspiegelt. Die Diözese als auch das Hochstift waren zu gross, um alleinig durch zentral eingerichtete Ämter verwaltet zu werden. Deshalb wurden Vogteien (weltlich) und Propsteien (geistlich) als Formen territorialer Verwaltungsorganisation eingerichtet (Holenstein 2014). Der Vorsteher dessen war im Falle Saint-Ursannes um 1500 eben Gauthier Belorsier. Das Rechnungsbuch dürfte somit als Rechnungsablegung der Propstei Saint-Ursanne dem Bischof von Basel gegenüber angesehen werden.

 

"Die zinsz stuz zehenden und ander zu vell.
Dem hochwurdige fursten und Heren hrn Cristophell
bischoff zu Basel anmeine gnädige herren gehören. In das                                                                                                    ampt sant Ursizien gevallen. Durch mich
Walther Belorsier smer gnädig  vogt und schaffner
doselbst ingennomen anno m v und iij." (1503)
"Pfennig zinsz im berg"

Weiter wurden nur die Namen der Ortschaften transkribiert. Das Transkribieren der Namenslisten ist für diese Untersuchung nicht von Bedeutung. 

 

 

Das Rechnungsbuch umfasst die Zahlungen des «zehend», welcher an die Propstei entrichtet werden musste (Grüniger, Ineichen 2015). In der Quelle wird dabei noch weiter differenziert. Zuerst werden die Abgabe der verschiedenen Orte in Pfennig, danach die Abgaben in Kapaune aufgelistet. Der Kapaunerzins war dabei ein üblicher Teil des Zehnten. Darunter versteht man eine Abgabe in Naturalien, genauer gesagt ist ein Kapaun, auch Masthahn genannt, ein männlicher, kastrierter Hahn, dessen Fleisch als besonders zart gilt.

 

Diese interaktive Karte wurde mit der Forschungsumgebung Nodegoat erstellt und auf einer eigenen Website veröffentlicht. Theoretisch wäre es so möglich, bei weiteren Forschungsvorhaben mit dem Thema der Verwaltung von Hochstiften, diese Karte mit den gewonnen Ergebnissen zu erweitern. In einem grösseren Projekt könnte so das Einflussgebiet eines ganzen Hochstiftes erfasst und kartografiert werden. Dieses liesse sich dann mit dem der Diözese vergleichen, was weitere Forschungsfragen ermöglichen würde. Solche grossangelegten und möglicherweise auch interdisziplinären Forschungsprojekte sind jedoch selten. 

Die Interkativität der Karte bringt einige Vorteile mit sich: Einerseits kann der/die Leser*in so für ihn/sie uninteressantes ausblenden und sich nur mit den gewünschten Daten und Darstellungen auseinandersetzen. Andererseits ist die Karte relativ einfach verständlich und kann komplizierte Datensätze klar darstellen. So ist sie, oder allgemein Karten dieses Stils, ausgezeichnet als Lehrmittel geeignet. Sie könnten als Einstieg in ein Thema oder für einen Vortrag herrvorragend verwendet werden.

Das Erstellen einer solchen Karte ist relativ einfach, wenn auch ziemlich aufwendig. Für jedes Dorf und jeden Weiler mussten die wesentlichen Daten mühsam einzeln eingetragen werden. Der grosse Aufwand hing sicherlich auch mit dem Unvermögen des Autors und der mangelnden Erfahrung mit Nodegoat zusammen. Eine solche Karte in grösserem Stil zu erstellen, ist jedoch immer ein aufwendiges Verfahren. Eine weitere Schwierigkeit stellte sich dar, aufgrund des Namens eines Weilers im Rechnungsbuch auf dessen heutige Lokation zu schliessen, da heute manchmal nur noch ein Strassenname oder ein einzelnes Haus auf den Ort hinweisen. Dabei half einerseits eine vertiefte Google-Suche mit teils zufälligen Treffern und andererseits eine Liste mit alten Dorfnamen der Archives de l’ancien Evêché de Bâle.

Auf der interaktiven Karte wurden die Orte der Propstei, dessen Bewohner Abgaben entrichten mussten, erfasst. Die Grösse der Punkte gibt Auskunft darüber, wie viele Schilling die Personen des jeweiligen Ortes zusammen abgaben. Die Angaben im Rechnungsbuch wurden in Librum (Pfund), Schilling und Pfennig verzeichnet. Für einen territorialen Vergleich wurden alle Beträge in Schilling umgerechnet. Wichtig ist dabei zu erläutern, dass nicht die Orte die Abgaben machen mussten, sondern wie schon erwähnt, die Bewohner, welche dann lediglich unter ihrem Ort zusammengefasst wurden. Die Vergleiche lassen verschiedene Schlussfolgerungen zu: Einerseits wird aus der Quelle ersichtlich, dass die Höhe Abgaben eines Dorfes insgesamt proportional mit der Anzahl an aufgelisteten Personen zusammenhängt. Die Verhältnisse sind zwar nicht für alle Orte genau dieselben, grundsätzlich ist der so geschaffene Vergleich aber stimmig. Es sind also nirgends Einzelpersonen zu verzeichnen, die viel mehr oder viel weniger als die anderen Abgabepflichtigen zahlten. Ebenfalls besteht ein Zusammenhang zwischen den entrichteten Kapaune und der Menge an Schilling der jeweiligen Orte. Spannend ist auch zu sehen, dass die Orte, die damals viele Abgabepflichtige verzeichneten, auch heute die grösseren Dörfer und Gemeinden sind. «Diehell», «La Bousse» oder «Preysoloy» sind beispielsweise Orte, die heute nur noch durch mühsame und langwierige Forschungsarbeit mit kleinen Weilern oder einzelnen Höfen in Verbindung gebracht werden konnten. Interessenterweise sind die Namen der noch heute grösseren Orte schon damals ähnlich gewesen und haben sich über die Zeit kaum verändert. Auf der erstellten Karte sind die historischen und heutigen Namen der Orte aufgeschlüsselt.

 

In der zweiten Hälfte des Rechnungsbuches werden weitere Zins- und Zehnteinnahmen aufgelistet. Darunter der Zehnt für Käse (Kessz) und Korn (Korn) oder ein Fisch- (Visch), Wachs- (Wachs) und Haferzins (Haber). Ebenfalls sind die Ausgaben verzeichnet. Sie beinhalten den Botenlohn (Bottenlon), Lohn von Amtsleuten (Amtptlut lon), Diverses (diversz) und den «Abgang vom innemen», dabei ist nicht ganz klar, um was es sich handelt. Als letztes sind Exporte in Korn und Hafer aufgelistet, wobei ebenfalls nicht klar ist, was dies beinhaltet. Es kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass es sich um das heutige Verständnis von Export handelt. Es handelt sich sicherlich um eine Summe, die entweder eingenommen oder ausgegeben wurde. Dies könnte weiter untersucht werden, da es sich möglicherweise um Handelssysteme in den Propsteien oder im Bistum gehandelt haben könnte.

Insgesamt liefert das Rechnungsbuch eine genaue Rechnungsführung über Einnahmen und Ausgaben in der Propstei Sant Ursizien. Wie auf der Karte erkennbar ist, konnte mithilfe der Rekonstruktion der Ortsnamen eines der Propstei zugehörigen Gebiete eingezeichnet werden. Genauer gesagt ist es das Gebiet der Freiberge, wie in anderen Quellen bereits ersichtlich wurde (Bühler 1972: 132). Mit der Analyse solcher Rechnungsbücher wäre es möglich, die weiteren Gebiete der Propsteien und Vogteien ausfindig zu machen und so das Verwaltungsgebiet des Bistums Basel genauer zu unterteilen und einzugliedern. Ebenfalls ist es mithilfe der Rechnungsbücher möglich, Aussagen über die wirtschaftliche Stellung der Vogteien oder auch der einzelnen Ortschaften zu machen. Durch eine genaue historische Untersuchung könnte so auch mehr Wissen über die Entstehung und heutige Stellung von Dörfern und Ortschaften und deren Zusammenhänge im regionalen Kontext erlangt werden.