Emanuel Fueter: Stadt-Leutnant und Verschwörer

Autor: Martin Meister
Version vom 27. Dezember 2024

Im Urteil über die Anführer der im Juli 1749 in der Stadt Bern entdeckten Verschwörung schrieb die Obrigkeit Emanuel Fueter eine besonders schwere Schuld zu:

«Der gewesene Statt-Lieutenant Fueter dann, deme die allgemeine und der Statt Bern Sicherheit und Ruhe ins besonders in Pflicht und Eyd anvertrauet ware, diese so weit hindenangesetzt, daß er sich entschliessen können, alles mit Mord und Brand zu erfüllen, um seinen gottlosen Zweck zu erreichen; Endlich auch dem Obrigkeitlichen Befelch mit bewehrter Hand sich wiedersetzet.»[1]

Die von der Obrigkeit als Anführer identifizierten Niklaus Wernier, Samuel Henzi und Emanuel Fueter wurden zum Tod verurteilt. Ihnen sollte «zu wohl-verdienter Straffe, anderen zum Abscheu und Schrecken [...] mit dem Schwert das Haupt abgeschlagen» werden. Fueter sollte ausserdem «vor seiner Enthauptung die rechte Hand abgehauen» werden.[2]

Abb. 1 Das Urteil gegen die drei Hauptverschwörer vom 16. Juli 1749. (StABE, Mb 155, Manifest, Anstehend Die im Julio 1749. in der Statt Bern Entdeckte Conspiration, S. 16.)

Fueter wurde nicht nur aufgrund seiner Funktion als Leutnant der Stadtwache strenger bestraft, sondern auch weil er sich seiner Festnahme widersetzte. Im Verhör wurde er gefragt, ob «er damahlen, als man ihne behändigen wollen, sich nicht in der that seiner pistolen bedienet, und darmit geschoßen habe?»[3] Er habe, so gab er zu, «bey sich selbst resolvirt sich Zu wehren» und als Gerichtsschreiber Gatschet kam, «seye er eins mahls so verwirt und Confus worden, daß er, so Zu sagen, ganz aus sich selber gewesen» und geschossen habe.[4]
Die Rolle Emanuel Fueters als ehemaliger Söldner[5] und Offizier der Stadtwache in der Verschwörung soll im Folgenden näher untersucht werden. Gelang es ihm, die Stadtwache für die Verschwörung zu gewinnen und erleichterten ihm seine Kontakte in der Stadtwache die Beschaffung von Waffen und Munition? Diese Fragen werden anhand der Verhörprotokolle von Emanuel Fueter und den beiden anderen Haupt-Verdächtigen analysiert werden.

Das Turmbuch als Hauptquelle
Die Protokolle liegen im Turmbuch der Stadt Bern von 1749 vor, aus dem die oben zitierten Aussagen Fueters zu seiner Festnahme stammen. Die sehr sauber und praktisch ohne Korrekturen verfassten Verhörprotokolle sind nicht in deren zeitlichen Reihenfolge, sondern gruppiert nach den Verdächtigen aufgebaut. Es muss sich deshalb um eine Reinschrift der während der Verhöre verfassten Protokolle handeln.

Abb. 2 Erste Seite des Turmbuchs mit dem Beginn des ersten Verhörs von Niklaus Wernier. Das saubere und fehlerfreie Schriftbild des Protokolls sticht ins Auge und zieht sich über das ganze Turmbuch weiter. (StABE, B IX 493, Turmbuch, Band 1749, Bern 1749, S. 1.)

Den Angeklagten muss bewusst gewesen sein, dass es um ihr Leben ging. Ihre Aussagen wurden unter Druck und mit der Absicht gemacht, möglichst milde bestraft zu werden und der Folter zu entgehen. Die Obrigkeit konnte jedoch die Aussagen der drei Verdächtigen vergleichen und darauf aufbauend die weiteren Verhöre gestalten. So konnten Aussagen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Zudem wurden Henzi und Fueter sowie Wernier und Fueter einander gegenübergestellt und gemeinsam befragt.[6] Für die drei Verdächtigen war es somit schwierig, mit ihren Aussagen zum eigenen Vorteil von der Wahrheit abzuweichen. Es kann also davon ausgegangen werden, dass die Protokolle weitgehend zuverlässig sind, wenn auch bei der Abschrift Informationen möglicherweise nicht vollständig korrekt ins Turmbuch übernommen worden sind.

Die Stadtwache und die Verschwörung
Die Verhöre der drei Verdächtigen fanden vom 4. Juli bis zum 15. Juli 1749 statt. Fueter und Wernier wurden vier Mal, Henzi fünf Mal verhört. Zudem wurden die bereits erwähnten Gegenüberstellungen durchgeführt. Niklaus Wernier war seit etwa einem halben Jahr in die Verschwörung involviert.[7] Zur Planung des Umsturzes kamen die Verschwörer jedoch erst kurz vor den Verhaftungen zusammen. Die erste von zwei Versammlungen fand gemäss Wernier etwa 10 Tage vor seinem ersten Verhör vom 4. Juli «bey Hr. Küpffer im Sulgenbach» statt. Die zweite Versammlung am Sonntag, 29. Juni bei Wernier zu Hause.[8] An dieser Versammlung wurde unter anderem über die Stadtwache gesprochen. Fueter habe den versammelten Verschwörern versichert, «daß selbige nicht mit Bley und Pulfer versehen seye». Auch habe er schon «mit den eint- und andern von der Stattwacht geredet» und er meinte, «dass solche ohne sonderliche Mühe gänzlich auf ihre seithen Zu bringen wäre». [9] Von der Stadtwache würde also kein Widerstand zu erwarten sein.
In seinem ersten Verhör am 5. Juli bestätigte Fueter die Aussage Werniers jedoch nicht. Auf die Frage der Examinatoren, ob er sich die Unterstützung «der Wacht allsowohl versicheret» habe antwortete er, dass er der Wache sagen würde, «daß sie sich still halten, und sich nicht in Burgerliche Sachen mischen sollen». Andernfalls «man auf sie schießen wurde». Er habe «deßthalber mit keinem einzigen auß der Wacht, weder gemeinen - noch geschwornen geredet.»[10]
In seinem zweiten Verhör am nächsten Tag korrigierte er seine Aussage, denn er habe «die Wahrheit nicht völlig an den Tag gegeben, derowegen solle er sich beßer besinnen, und über folgende Fragstuck die Grundliche und runde Wahrheit bekennen.»[11] Er gab zu Protokoll, dass er mit «Zweyen, namblich dem Marchthaler und dem Bloch, davon geredet habe». Er habe mit ihnen über die Missstände gesprochen, die die Verschwörer beseitigen wollten. Und er deutete an, es «werde etwas geben, und viellicht bald». Er bat die beiden, Freiweibel Pulver darüber zu informieren. Bloch teilte Fueter später mit, mit dem Freiweybel gesprochen zu haben und versprach weiter, «mit verschiedenen jungen Pursche deßwegen Zu reden». Im Gegensatz zu Bloch wollte der Marchthaler den Eid der Verschwörer nicht ablegen. Er versprach aber «wann es Lermen Gebe, so wolle er den Tambour schlagen.»[12] Die beiden Stadtwächter waren also keineswegs abgeneigt, mit der Verschwörern zu sprechen und sie zumindest punktuell zu unterstützen. Ob Bloch mit dem Freiweibel gesprochen hat, ist allerdings fraglich. Im Nachlass von Gottlieb Emanuel Haller besagt eine Notiz, er habe es «Versprochen aber nicht gethan.»[13] Die Obrigkeit schätzte die Mitschuld der beiden Soldaten jedenfalls gering ein. Im Geheimen Manual wurde festgehalten:

Es sei «nicht soviel herauskommen, daß Mnghh. anlas geben könte, diese 2. Wächter deß Complots Zu Subçonieren. Der Freyweibel selbst dann auch nichts wiedriges Deponirt und beide der bloch und Marthaler Jhr Gnh. als ohnschuldig vorkommen. Habend sie dieselben deß verhaffts hiemit Zu Liberieren gut funden».[14]

Welche Beziehung Bloch zum Freiweibel Pulver gehabt hat, kann aufgrund der Quellen nicht bestimmt werden. Weibel nahmen im Allgemeinen Aufgaben in der Verwaltung oder im Gerichtswesen wahr. Die Freiweibel in Bern waren in den Landgerichten tätig und verfügten über ein hohes Sozialprestige.[15] Es wäre aus Sicht der Verschwörer sicher wünschenswert gewesen, eine solche Person zu ihrem Kreis zu zählen. Es ist denkbar, dass Fueter mit der Absicht an Bloch herangetreten war, den Kontakt mit dem Freiweibel herzustellen und die militärischen Aspekte nur zweitrangig waren. Die beiden Stadtwächter Bloch und Marchthaler waren keine Offiziere und ob sie in der Stadtwache im Fall von Unruhen einen grossen Einfluss gehabt hätten, ist mehr als fraglich.
In seinem dritten Verhör vom 9. Juli wurde Fueter nochmals zur Stadtwache befragt. «Marchthaler dem Tambour habe Er auffgetragen, er solle machen, daß er mit Haubtmann Marchthaler redend könne, welches aber nicht geschehen.»[16] Ob es sich bei Hauptmann Marchthaler um einen Offizier der Stadtwache gehandelt hat und wie der Tambour mit Hauptmann bekannt oder sogar verwandt waren, wird in den Quellen nicht ausgeführt. Es bestärkt sich aber der Eindruck, dass Fueter die beiden Stadtwächter Bloch und Marchthaler in erster Linie als Kontaktpersonen zu den höher gestellten Freiweibel Pulver und Hauptmann Marchthaler kontaktiert hat und die Unterstützung der Stadtwache vorerst noch zweitrangig war. Mit einem Hauptmann der Stadtwache als Verschwörer, wären die militärischen Aspekte wohl in den Vordergrund gerückt.
Die Kontakte der Verschwörer zur Stadtwache wurden noch einmal in der Gegenüberstellung von Henzi mit Fueter am 12. Juli aufgenommen.[17] Aus Sicht der Obrigkeit ging von der Stadtwache offenbar keine wirkliche Gefahr aus. Und es darf aufgrund der Aussagen von Fueter darauf geschlossen werden, dass die Stadtwache nur mit Bloch und Marchthaler an der Verschwörung beteiligt war und beim geplanten Umsturz wohl kaum mit Unterstützung von der Stadtwache zu rechnen gewesen wäre.

Die Bewaffnung der Verschwörer
Die Verschwörer wollten am 13. Juli losschlagen. «Sie haben mit bewaaffneter hand, auff ein gegebenes Signal, außziehen, und sich allsbald deß Raht- und Zeüghauses bemächtigen wollen, und Zwar, so jemand sich ihnen hättes widersezet, so seyen sie vest entschloßen gewesen, Alles Zu mahsacriren».[18] Zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung am 4. Juli,[19] verfügten die Verschwörer noch über keine Waffen. An seinem ersten Verhör wurde Fueter gefragt, ob die Verschwörer nicht beschlossen hatten, «von nun an bewehrt sich Zu halten, es seye, daß sie ein gewehr bey hauß gehabt, und Sackpistolen bei sich getragen?» Das gab er zu, allerdings nur Wernier, Henzi und er selbst seien bewaffnet gewesen. Die anderen Verschwörer hätten «sich nicht mit Sackpistolen Versehen, sondern seines wüßens niemand».[20]
Es war für die Verschwörer nicht leicht, zu Waffen zu kommen. Wernier und Fueter sagten beide aus, dass sie erfolglos versucht haben, Gewehre und Pistolen zu beschaffen.[21] Was Gewehre betraf, so könne man die «bey dem Büchsenschmid Eyer nemmen», wie Wernier und Fueter zu Protokoll gaben.[22] Fueter gab in seinem dritten Verhör ausserdem zu, er habe eine gewisse Menge von Munition gehabt, um sie «bey ergreiffung deß gewehrs» an die anderen zu verteilen. «Der Goldschmid Fueter habe auch Kuglen gegoßen, auch habe er ihme seine Patronenstämpfel entlehnen müßen, umb Patronen Zu machen.»[23] Munition und Waffen waren scheinbar alles andere als genügend vorhanden. Immerhin wussten Gabriel Fueter und Henzi, es «seye noch ein gewüßes Feürswerk von Ao. 1712 an einem Ohrt verwahret, deßen, mann sich auch Bedienen könnte.» Ob die Verschwörer wirklich Zugang zu dem «Feürswerk» gehabt haben und ob es geeignet gewesen wäre, um die Bibliothek «in die lufft sprengen» zu können, falls die Obrigkeit sich dahin gerettet hätte, ist ungewiss.[24]

Fazit
Dem Stadt-Leutnant Fueter gelang es nicht, die Stadtwache in die Verschwörung einzubinden. Die beiden Stadtwächter Bloch und Marchthaler waren einfache Soldaten, ihr Einfluss war entsprechend gering. Möglicherweise wollte Fueter durch Bloch und Marchthaler an andere Personen wie den Freiweibel Pulver und den Hauptmann Marchthaler herankommen und diese für die Verschwörung gewinnen. Die beiden Stadtwächter wurden zwar verhaftet, die Obrigkeit beurteilte sie jedoch als unschuldig und entliess sie wieder aus der Haft.
Auch bei der Beschaffung von Waffen und Munition war den Verschwörern kein Erfolg beschieden. Gewehre konnten sie von Auswärts keine besorgen und von den Verschwörern waren lediglich Wernier, Henzi und Fueter bewaffnet.
Dass ein Umsturzversuch erfolgreich gewesen wäre, der noch zehn Tage vor dem Losschlagen über keine Waffen verfügte und keine gesicherte Unterstützung von der Stadtwache erhalten hätte, ist unwahrscheinlich. Zwar sprachen die Verschwörer davon, die Gewehre vom Büchsenschmied Eyer zu behändigen. Und Fueter würde nach dem Losschlagen die Stadtwache mahnen, sich nicht einzumischen. Das erweckt nicht den Anschein eines gut durchdachten Plans.
Die Funktion des Stadt-Leutnants Fueter brachte der Verschwörung aufgrund der beschriebenen Tatsachen keinen praktischen Vorteil. Für Fueter selber hatte die Funktion jedoch schlimme Folgen. Seine Pflichtverletzung führte dazu, dass er nicht nur seinen Kopf verlor, sondern auch mit dem Abschlagen seiner Hand büssen musste.

Nachweise

[1] Manifest, Bern 1749, StABE, Mb 155, S. 15.

[2] Ebd., S. 16.

[3] Turmbuch, Bern 1749, StABE, B IX 493, S. 48.

[4] Ebd., S. 49.

[5] Tillier: Geschichte des eidgenössischen Freistaates Bern, Bern 1839, S. 197.

[6] Turmbuch, Bern 1749, StABE, B IX 493, S. 85–90 und 91 f.

[7] Ebd., S. 11.

[8] Ebd., S. 6–7.

[9] Ebd., S. 9.

[10] Ebd., S. 46–47.

[11] Ebd., S. 53.

[12] Ebd., S. 63–64.

[13] Memorial (Nachlass Gottlieb Emanuel von Haller), undatiert ,BBB, Mss.h.h.III.51 (15), S. 188.

[14] Geheimes Manual, Bern 1749, StABE, A I 932, S. 32–33.

[15] Holenstein: Weibel.

[16] Turmbuch, Bern 1749, StABE, B IX 493, S. 69–70.

[17] Ebd., S. 119.

[18] Ebd., S. 65.

[19] Dubler: Henzi-Verschwörung.

[20] Turmbuch, Bern 1749, StABE, B IX 493, S. 48.

[21] Ebd., S. 13 und 81.

[22] Ebd., S. 32 und 80.

[23] Ebd., S. 69.

[24] Ebd., S. 85.

Bibliographie

Archivquellen
BBB, Mss.h.h.III.51 (15), Memorial, so anno 1749 ist verfertiget worden (aus dem Nachlass Gottlieb Emanuel von Haller), undatiert.

StABE, A I 932, Geheimes Manual über die Henzi-Verschwörung von 1749, Bern 1749.

StABE, B IX 493, Turmbuch, Band 1749, Bern 1749.

Gedruckte Quellen
StABE, Mb 155, Manifest, Anstehend Die im Julio 1749. in der Statt Bern Entdeckte Conspiration, Bern 1749.

Tillier, Anton von: Geschichte des eidgenössischen Freistaates Bern von seinem Ursprunge bis zu seinem Untergange im Jahre 1798, Bern 1839.

Literatur
Dubler, Anne-Marie: Henzi-Verschwörung, Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), 30.08.2006, <https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/017206/2006-08-30/>, Stand: 09.09.2024.

Holenstein, André: Weibel, Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), 06.08.2012, <https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010088/2012-08-06/>, Stand: 09.12.2024.

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Das Urteil gegen die drei Hauptverschwörer vom 16. Juli 1749

Abb. 2 Erste Seite des Turmbuchs