Spontan geschriebener Text - den ich zuerst wegschmeißen wollte
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- Spontan geschriebener Text - den ich zuerst wegschmeißen wollte
- Zusammenfassung
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Nachdenkliche Bilder und Tagebuch-Aufzeichnungen vom Alsterdorf Attentat in Hamburg am 9.3.2023
Alsterdorf Attentat am 9.3.2023. Ein Mann - Philip F. - schoss in einem Königsreichssaal der Zeugen Jehovas 135 Mal um sich und tötete acht Personen - darunter ein ungeborenes Kind und sich selbst. Das war eine Tat, die die Welt schockierte und sprachlos machte.
Noch immer weiss man vieles über das Motiv und die genaueren Tatumstände nicht.
Auch B. (50), freischaffender Künstler aus Hamburg, machte dieses Alsterdorf-Attentat betroffen. Um so erschütternder war es für ihn, als sich James O., ein Freund oder guter Bekannter, unter der Opfern befand. B.": Das war ein Schock. Ich konnte nicht damit umgehen. Weil ich ihn so lange kannte. Er war ein toller, vorbildlicher Mensch, der sich sehr für den Glauben eingesetzt hatte. Er war es auch - so hörte ich, der das Licht im Stromkasten im Königsreichssaal ausgeschaltet hatte, damit der Täter nichts sehen und mit seiner Pistole richtig zielen konnte. Er rettete andere somit das Leben. Er selbst starb aber dabei.
Er lebte für den Glauben und starb für den Glauben." Dann er erinnerte sich der 50- jährige an seine Begegnung mit James und seiner Familie": Nach dem Tod meiner Mutter im Jahr 1999 ging es mir aufgrund meiner tiefen Trauer nicht gut, ich suchte Antworten nach dem Sinn des Lebens, suchte Trost. Nach einer seltsamen Begegnung mit einem Taxifahrer, der sich mit Magie beschäftigte und nachdem im Frühjahr 2000 das Gespräch mit einem Hummelsbüttler Pastor im Jahr 2000 unbefriedigend verlief, besuchte ich zuerst die Mormongeneinde, die meine Tante mit einigen anderen Familienangehörigen besuchte. Die ich aber nach wenigen Monaten verliess, weil es einfach nicht passte. Durch meine damalige polnische Exfreundin kam ich damals zu den Zeugen Jehovas. Als ich zum ersten Mal die Gemeinde in Eilbek besuchte, wurde ich von den Brüdern und Schwestern im Königsreichsaal freundlich empfangen und aufgenommen. Ich lernte auch das Ehepaar Ben aus Ghana und Uschi O. aus Deutschland und ihre Söhne James und Michael in der Versammlung kennen, die mich zu ihren privaten Bibelstudium in ihre Wohnung in Wandsbek einluden, das einmal in der Woche am Abend um 19 Uhr stattfand. Vor und nach dem Bibelstudium unterhielten wir uns damals oft, tranken manchmal was. Mit James und Michael (sie waren 17 und 16 Jahr alt, ich 27 Jahre alt) unterhielt ich mich auch oft über Kunst, künstlerische Berufe u.a. Ich zeigte ihnen damals auch meine selbstkomponierten Musikstücke, die ich in einem Musikstudio in der Von-Bargen-Strasse Wandsbek aufgenommen hatte, die aber nicht ihrem Geschmack entsprach. Ich fühlte diese familiäre und freundschaftliche Verbindung. Wir trafen uns in den darauf folgenden Jahren aber nicht nur im Königreichssaal und in ihrer Wohnung, sondern auch auf den Kongressen der Zeugen Jehovas, die einmal im Jahr stattfanden. Sie sassen meistens oben auf den Tribünen des Volkparkstadions auf ihren Decken, die sie auf ihre Stühle gelegt hatten und sie hatten ihre Picknickkörbe und Bibeln dabei..."
B. erfuhr von dem Alsterdorf-Attentat durch Whats-App-Nachrichren, die ihm Freunde abens am 9.3. geschickt hatten. "Nachdem ich einige Tage später erfahren hatte, dass James unter den Opfern war, hatte ich Tränen in den Augen. Später erfuhr ich durch mehrere Personen auch Hintergründe, die in der Öffentlichkeit gar nicht bekannt sind. Ich erfuhr zum Beispiel, dass Philipp F. vor zuerst seine Freundin und seinen Job verloren hatte, dass er dann 2019 Kontakt mit den Zeugen Jehovas aufgenommen hatte - vermutlich auch auf Rat seiner Eltern, die bei den Zeugen Jehovas sind. 2020 erlebte er die Coronakrise und den Lockdown, was er als ein "Zeichen der Endzeit" ansah. Er begann mit James O. und seiner Frau ein Bibelstudium. Was problematisch war, weil das Studium in dieser Zeit nur über Zoom lief und man sich wenig sah. Nachdem er bei den ersten Lockerungen einen guten, gepflegten Eindruck machen und er gute Antworten gegen konnte, verlief das Bibel-Studium schneller als gewohnt und er liess sich im Sommer 2020 taufen. In seinem Fall eine voreilige und nicht gut durchdachte Entscheidung. Nach der Taufe, beobachteten die Brüder und Schwestern in der Versammlung Veränderungen bei Phil. Er wirkte immer aggressiver, frustrierter, unkontrollierter und verbreitete Irrelehren (die er später im Dezember 2022 in seinem Buch "die Wahrheit über Gott, Jesus Christus und Satan" veröffentlichte.) 2021 verließ er dann die Versammlung der Zeugen Jehovas. Danach wurde er immer aggressiver, bekam Wahnvorstellungen. Er ähnelte immer mehr der Person Harry White aus dem Roman "der Dämon" von Hubert Selby. Am lief er Amok, erschoss 7 Personen und dann sich selbst.
Ich beschloss dann bzw. hatte das Bedürfnis die Ereignisse und das, was ich erfahren hatte, zu verarbeiten, indem ich impressionistische Bilder von all dem, was passiert ist, zu malen und vieles schriftlich und tagebuchartig aufzuzeichnen. Gegen das Vergessen. Dieses fasste ich unter dem Titel "Ereignisse am 9/3/23" zusammen. Ein gemaltes Tagebuch. Nur für mich. Obwohl ich weiss, dass das Alsterdorf-Attentat ein schwieriges, sensibles Thema ist, das zur Zeit viele Leute beschäftigt und Fragen aufwirft. Ich wollte zunächst erst anonym sein und mich ins Schweigen hüllen. Aber nichts zu sagen oder zu machen, hätte sich nach einiger Zeit und nachdem, was ich alles erfahren hatte, auch falsch angefühlt. Mir ist aber auch klar, dass das nicht jeder verstehen kann."
B.": Auf der Comicmesse Berlin am 16.4.2023 hatte ich meine Bilder und Tagebuchartige Aufzeichnungen dabei, die ich zuerst gar nicht präsentieren wollte. Als ich mit einigen Personen aus dem Publikum darüber ins Gespräch kam, präsentierte ich sie dann leise und unauffällig. Das tat ich später auch auf der anderen Comicmesse in Aachen am 22.4.: Egal was andere sagen, ich habe ein Teil meines Seelenfriedens zurückgewonnen, indem ich diese Ereignisse künstlerisch verarbeiten könnte."
(Ich schrieb den Text am 17.4. und 22.4.23 - einige Wochen nach den Ereignissen am 9.3.2023. Ich war durch die Ereignisse am 9.3. noch sehr aufgewühlt. Da ich in dieser Zeit auch andere Versammlungen mal besuchen wollte, hätte es mich theoretisch auch erwischen können am 9.3.2023... Ich wollte diesen Text auch gar nicht veröffentlichen und mit dem Text passierte eine Weile nichts. Ich wollte ihn sogar wegschmeißen. Dann beschloss ich ihn als "Kladdetext" - in der 3. Person geschrieben - oder als mageren Versuch die Ereignisse am 9.3. zusammenzufassen doch hier zu veröffentlichen - denn wegschmeißen wollte ich ihn später auch nicht. Einiges aus dem Text haben einige Zeitungen aufgegriffen). - Datum
- 22 April 2023
- Thema
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- Sprache
- de
- Sammlungen
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- Medien
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