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Einführung

"Pittsburg is like Birmingham in England; at least its townspeople say so. Setting aside the streets, the shops, the houses, wagons, factories, public buildings, and population, perhaps it may be. It certainly has a great quantity of smoke hanging about it, and is famous for its iron-works. Besides the prison to which I have already referred, this town contains a pretty arsenal and other institutions. It is very beautifully situated on the Allegheny River, over which there are two bridges; and the villas of the wealthier citizens sprinkled about the high grounds in the neighbourhood, are pretty enough."

Charles Dickens, 1842 (in: American Notes for General Circulation)

Der Auswandererbrief als Genre

"Ebenso wie die Emigration aus Deutschland eine Massenbewegung war, handelt es sich bei den Briefen, die nach Hause geschrieben wurden, nicht um vereinzelte Schreiben, sondern um einen gewaltigen Strom, eine wahre Papierflut, die sich über Deutschland ergoß."

(Helbich 1988: 32)

Zur Zeit der Massenmigration im 18.-19. Jahrhundert entwickelt sich der Auswandererbrief. Als einzige Kommunikationsmöglichkeit wird er zu einem globalen Medium der Massenkommunikation. Die Briefe transportieren nicht nur Informationen vom Auswanderungsland ins Heimatland und zurück, sondern sind Medien des Kulturtransfers, ein Instrument zur Aufrechterhaltung familiärer und anderer sozialer Beziehungen und eine Möglichkeit zur Verarbeitung von traumatischen Erfahrungen.

Verfasst wurden die Briefe von einfachen Auswanderern, die überwiegend aus den Unterschichten und den unteren Mittelschichten stammten. In diesem Zusammenhang spricht man von “marginally literate people” (Elliott). Dabei muss erwähnt werden, dass es sich hierbei um Menschen handelt, die ohne Migrationserfahrung keine Beweggründe zum Schreiben hätten und somit das Genre Auswandererbrief nicht entstehen könnte.

Auswandererbriefe besitzen durchaus Elemente der normierten Briefform, z.B.: Datumszeile, Grußformel und Unterschrift. Sie unterscheiden sich jedoch in der Orthografie, im Syntax, Semantik/Lexik und im Aufbau stark von den bürgerlichen Briefen. Daraus kann man ableiten, dass auch die auswandernden Menschen, trotz ihrer Distanz zum Schreiben, Kenntnisse über den formalen und sprachlichen Aufbau eines Briefes besaßen.

Die archivierten Auswandererbriefe weisen eine deutliche “class bias” auf. Denn obwohl es auch Briefe aus der unteren Schicht mit sehr geringer Bildung gibt, ist die Mittelschicht im Briefbestand der deutschen Auswanderer deutlich überrepräsentiert. Das lässt sich darauf zurückführen, dass diese Schicht eher die Briefe aufbewahrt und für wissenschaftliche Zwecke ausgehändigt hat. Nahezu 80% der Schriftstücke stammen aus der Feder von Männern, Frauen verfassten nur dann Briefe, wenn sie alleinstehend oder ihre Männer nicht fähig dazu waren.

Die Briefe sind Boten subjektiver Wahrnehmungen und persönliche Erfahrungen von Individuen. Dennoch gewähren sie Einblicke in viele Bereiche:

  • Motive und Verlauf von Migration

  • soziale, religiöse und nationale Identität

  • Familienstrukturen und Geschlechterrollen

  • soziale Beziehungen

  • Religion und ethnisches Eigenleben

  • die amerikanische Gesellschaft

  • rechtliche, politische und administrative Gegebenheiten

  • wirtschaftliche Situation und Arbeitsbedingungen

  • Formen und Verlauf der Integration, Spracherwerb

  • Lebensstil, Essgewohnheiten, Freizeitverhalten

Die Berichte der Auswanderer zeichnen ein Bild vom Einwanderungsland, das ins Heimatland überliefert wird und die Vorstellung der Einheimischen über das fremde Land (Amerika) prägt. Dabei wurden Schilderungen von Auswanderern als verlässlicher wahrgenommen als offizielle Ratgeber. Denn nicht selten wurden Briefe auch politisch instrumentalisiert, um der massiven Auswanderung entgegenzuwirken. So hat man Auswandererbriefe mit abschreckenden Inhalten in Zeitungen veröffentlicht, um Auswanderungswillige umzustimmen.

(Vgl. Lemguhl 2020)