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Lieber Schwager und liebe Schwester!

[12 Z.: Familie] Arbeiten und sich mühen ist einmal des Menschen Loos auf Erden und Ihr seid jetzt doch Besser dran, als so viele Farmers hier, welche durch den Krieg ihre mühsam erworbenen Erzeugnisse, ja ihre ganze Habe, Haus und hof und Alles verlieren // Wo der Krieg sich herzieht, da werden die Farmers gar hart hergenommen.

Die Amerikabriefe des Carl Hermanns: Inhalt und sprachliche Analyse

 

Landkarte von Philadelphia aus dem 19. Jahrhundert

Wer war Carl Hermanns?

Carl Hermanns  wurde um 1811 in Hamberg bei Burscheid geboren. Er wanderte von Deutschland nach Amerika, genauer gesagt Philadelphia, aus. Zum Zeitpunkt der Verfassung der Briefe war er 52 Jahre alt.
In der neuen Heimat arbeitete als Lehrer und gehörte somit dem Bildungsbürgertum an, welche nur einen Bruchteil der Auswandererschaft ausmachte. In seiner Schule unterrichtete er zwei Klassen. Er verdiente genug, um sich zu entschließen, keine Klassen mehr zu nehmen und sich auf seine Familie zu konzentrieren, welche er in Philadelphia gegründet hatte. Auch aus den Briefen lässt sich herauslesen, dass er eine negative Einstellung zur Religion hat. Auch die politische Regierung und Entscheidungen in Amerika sieht er sehr kritisch. 

Der ehemalige Deutsche konnte seine Lage laut eigener Aussage mit der Auswanderung verbessern. In seinen Briefen zeigt sich eine im Vergleich zu den anderen Auswanderern hohe Bildung.

 

 

Inhalt des Briefes

Erster Brief vom 12. April 1862

Carl Hermanns schreibt seinem Schwager und seiner Schwester, dass sie sich glücklich schätzen können, da viele in Amerika durch den Krieg ihr Hab und Gut verloren haben. Andererseits seien auch die Nachrichten aus Deutschland nicht gerade erfreulich. Weiters schreibt er, dass er nichts mehr mit der Kirche zu tun haben  möchte. 

Am Ende des Briefes meint er, dass es ihm trotz des Krieges gut geht, dass er als Lehrer von zwei Klassen ein gutes Auskommen hat und dass er diese, weil er sich mehr der Familie widmen möchte, diese nicht mehr vergrößern möchte.

 

Zweiter Brief vom 12. April 1862

Neben seiner Schwester und deren Ehemann schickte Carl Hermanns auch seinen Eltern einen Brief. Inhaltlich ist dieser fast deckungsgleich mit dem ersten Brief. Auch hier berichtet er vom Krieg und erzählt seiner Familie von der Frau, die er in der neuen Heimat kennengelernt hat und den Kindern, die sie miteinander haben. 

 

Dritter Brief vom 05. August 1862

Im ersten Teil des Briefes beklagt Hermanns, dass es fast nur mehr Papiergeld gibt. Durch den Krieg war eine Geldnot entstanden. Weiters berichtet er, dass sich niemand mehr freiwillig als Soldat melden wollte und der Staat nun begann, junge Männer einzuberufen. Davon sei er aber als Nichtbürger und Lehrer verschont. Sollte er jedoch einberufen werden, würde er eher nach Deutschland zurückkehren, als für die "Schwindler und Politiker" zu kämpfen. 

Google Ngram Viewer: "Pfarrer" und "Pfaffe" zum Zeitpunkt des 1. Briefes Hermanns

 

 

 

Sprachliche Merkmale mithilfe der Defizithypothese nach Bernstein

1. Häufiger Gebrauch von Fachwörtern

Hermanns Carl weißt einen pointierten und verständigen Gebrauch von Fremdwörtern auf. In seinem dritten Brief findet sich zum Beispiel das Wort " Conskription", welche "Einberufung zum Heer" meint. Auch Titel wie "Advokat" und "Major" verwendet er trefflich. Die Wörter sind korrekt geschrieben. 

Bei seiner Kritik an der Kirche verwendet er den Begriff "Pfaffe", welcher als abwertender Begriff der Geistlichen durchsetzte. Diese Bezeichnung war 1862 nicht so gängig, wie "Pfarrer", was einerseits darauf schließen lassen könnte, dass sich nicht so viele Menschen negativ gegenüber der Geistlichen äußerten oder andererseits, dass dieser Begriff nur einer Minderheit der Menschen geläufig war. 

Im 1. Brief findet sich auch eine Entlehnung aus dem Englischen. Er benennt Landwirte als "Farmers". 

2. Häufiger Gebrauch des Passivs

Carl Hermanns verwendet den Passiv in seinen Briefen mehrfach und korrekt. So schreibt er in seinem ersten Brief: "... werden die Farmer hart hergenommen" und in seinem dritten Brief  "würde (...) verschont bleiben" und "Würden die zuerst vor die Mündungen der Kanonen gestellt, wahrlich!". 

 

3. Explizitheit

Carl Hermanns formuliert seine Briefe inhaltlich und semantisch klar, bringt seine Meinungen und Ansichten pointiert und kompakt zu Ausdruck und baut seine Texte strukturiert auf. 

 

4. Grammatikalische Korrektheit

Die Sätze in Herrmans' Briefen sind aus heutiger Sicht größtenteils grammatikalisch korrekt und vollständig. Hin und wieder finden sich Fehler in der Groß- und Kleinschreibung: "Haus und hof" und "hoffnung". Dies war im 19. Jahrhundert keine Seltenheit, war doch der Bereich der Groß- und Kleinschreibung von Schwankungen geprägt.  Die Zuteilung zu Substantiv beziehungsweise Nicht-Substantiv war damals noch nicht konkretisiert (vgl. Pospíchalová, 2009, S. 25). 

Außerdem verwendet er das Suffix -e beim Dativ wie zum Beispiel: "Wie ihr aus dem Briefe [...] sehen werdet.."  und "zu diesem hohen Range...". 

Auffällig ist außerdem, dass er die Grapheme "th" benutzt, wenn diese beim Sprechen behaucht werden, zum Beispiel: "Geldnoth", "Wirthe", und "genöthigt". 

5. Logische Strukturierung

Der Text ist logisch nachvollziehbar, die Gedanken sind in einem semantisch nachvollziehbaren Zusammenhang gebracht und verständlich formuliert. Der Text weißt eine hochwertige argumentative Strukturierung auf, es finden sich selten starke, thematische Umschwünge. Ausschweifende Beschreibungen werden vermieden. 

 

6. Umfangreicher Wortschatz

Carl Hermans Briefe haben nach dem Onlinetool "Voyant" eine Wortschatzdichte von 0,474. Dieser Wert ist durchschnittlich und im Vergleich zu den Texten von Christian Lenz, welche eine Wortschatzdichte von 0,406 aufweisen, nur geringfügig höher. Der Wortschatz von Carl Hermanns ist folglich nur geringfügig größer als der von Christian Lenz. 

 

7.  Häufige Verwendung der unpersönlichen Pronomen „es“ und „man“

Carl Herman verwendet trotz seiner Zugehörigkeit zu Oberschicht oft das persönliche Pronomen "ich" (insgesamt 13 Mal im Text), während er die unpersönlichen Pronomen "es" (6 Mal im Text) und "man" (5 Mal im Text) seltener benutzt. Wir gehen davon aus, dass dies der Textgattung geschuldet ist. Die Artikel "die" (32 Mal im Text)  und "der" (23 Mal im Text) werden jedoch öfter als unpersönliche Pronomen verwendet. 

 

MERKMALE EINES NICHT-RESTRINGIERTEN CODES

Ein Merkmal des restringierten Codes ist die „grammatikalisch Einfachheit der Sätze“. Die Sätze, welche Hermanns in seinen Briefen schreibt, sind sowohl komplex als auch grammatisch gerecht. Er verwendet oft komplizierte Konstruktionen, exekutiert diese aber im Gegensatz zu Lenz ohne orthografische, grammatikalische oder syntaktische Fehler. Er verwendet hier also keinen restringierten Code. Weiter verwende Hermanns Carl in seinen Briefen oft Adjektive und Adverbien. Beispiele hierfür sind "mühsam erworben" oder "am heftigsten wüthen". Da ein Anzeichen des restringierten Codes "eine begrenzte Verwendung von Adverbialien und Adjektiven" ist, trifft auf dieses Merkmal nicht zu. Auch eine "Verwendung von Sprichwörtern" ist nicht festzustellen. Carl Hermanns informiert den Leser/die Leserin über die Geschehnisse in Amerika, also er keinen "bestimmen Stand des Vorwissens" an. In Hinblick darauf, dass die vorhandene Textsorte ein Brief ist, wird wenig "persönliche Sprechweise" verwendet. Auch "Verstärkungen am Ende des Satzes" sind nicht vorhanden.