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Weitz, Martin (16.07.54)

Kurzzusammenfassung:

Im folgenden Brief  lässt sich der genaue Reiseverlauf verfolgen, auch die Umstände wie Kosten, Verpflegung, Uhrzeit, Tage und Dauer sind hier herauszulesen. Der umfangreiche Brief lässt eine bildliche Darstellung  vermuten, welches aber nicht der Fall ist. Die Ankunft im neuen Land wird wie folgt beschrieben:

Zitat:"...den 17 Juni Morgens sahen wir Land, da wurde geschrien Land Land abermal Land des Mittags um 12 Uhr kamen wir in den Hafen aber so hatte ich noch nichts gesehen Da glaubt ich man guckt in ein Wald hinein da war es Freude auf Freude das könnt Ihr euch denken, nun geht es weiter."

Hier wird die doch heiß ersehnte Ankuft sehr kurz und "einfach" beschrieben. Auch das neue Land, welches die Eltern interessieren könnte wird in diesem Brief nicht beschrieben. Weder wie die neuen Gerüche sind, das Gras oder wie die Bäume/Wälder dort aussehen. 

 

Reisebericht von Weitz Martin (16.07.1854)

Besonderheiten des Berichts: 

  • genauer Reisebericht mit Zeitangaben
  • klarer Einblick zu den Bedingungen einer Reise damals
  • Kostenaufstellung
  • Gefahren und Krankheiten

Aufbau des Briefes:

  • Adressiert an seine Familie in Deutschland; Treuer Lieber Vater Bruder Schwägerin und Kinder
  • kurzes bestätigen seines Wohlbefindens
  • Genauer Reisebericht (Uhrzeiten, Datum, Gasthäuser)
  • Schiffsbeschreibung
  • Verpflegung am Schiff
  • Reisekrankheiten
  • Reisedauer
  • Ankunft recht sparsam beschrieben (keine Landschaftsbeschreibungen)
  • Suche nach Arbeit
  • Überfluss an Essen
  • Besorgnis um die Familie (arme Verhältnisse)
  • Tipps zur Überfahrt/für die Auswanderung
  • Ermahnung an die Geschwister
  • Diverse Grüße

Obwohl der Brief eine ausführliche Reisebeschreibung enthält, wirkt er eher rudimentär. 

Adjektive 1. Brief 1389 Wörter im Brief 4% Adjektive
treuer glücklich, glücklich kurzen
schöne, schönste viel, viel, viel, mehr schwarzen
frei, frei, frey kein meist
gut, guten, guten, gut große, großem lang, lang
breit hoch leicht
krank blau selten
höflich froher traurig
tausende gesund, gesund, gesund viele
warm kühl heiß
14, 5, 4, 6, 22 einig, einig braf, braf
fleißig gehorsam kleiner
lieber, lieber herzlichen  
 

Sehr genaue Beschreibung des Schiffes:

  • Dreimaster
  • 225 Fuß u. 42 Fuß breit
  • Mastbäume 165 Fuß hoch
  • 550 Personen
  • 35 Mattrosen
  • 3 Steuermänner
  • https://www.public-juling.de/auswanderung/abfahrtsdaten/passagen.php?s=s&v=Johann+Lange&lang=de

Durch die genaue Beschreibung, kann auch das Schiff in anderen Aufzeichnungen/Dokumenten gefunden werden.

Wortschatzdichte: 0.470

Readability Index: 12.026

Durchschnittliche Wörter pro Satz: 65.1

Die häufigsten Begriffe im Korpusich (37); wir (31); und (29); es (25); u (20)

 

Die Sätze sind sehr lang, da kaum Satzzeichen verwendet wurden.

Weitz, Martin (16.07.54)

*1823, Schotten (zentralhess.), Tuchmacher (VS), prot.

Quelle: Helbich / Kamphoefner / Sommer 1988

 

Astoria[1] d 16ten Juli 1854.

 

Treuer Lieber Vater Bruder Schwägerin und Kinder!

Gott sey dank ich bin glücklich angekommen und will euch jetzt mit kurzen Worten meine ganze Reise beschreiben wie miers gegangen hat, wir sind den 7ten April des Nachts zwischen 11-12 Uhr abgefahren des Morgens 8 Uhr in Frankfurt angekommen, da sind wir in Frankfurt herum gegangen und haben mit unserm Agent Textors die Geschäfte abgemacht ich war auch bei Lotchen, des andern Morgen um 6 Uhr sind wir den 28ten mit dem Dampfschiff die schöne Reihnfahrt hinauf wo wir viel gesehen und des Abends 9 Uhr in Köln wo wir vom dem Gastwirth abgeholt [...] Name weiß ich nichts mehr da haben wir Frey Nachtessen u. Morgens Kaffe um 6 Uhr den 29ten von Köln mit der Eisenbahn nach Bremen bis des Abens 9 Uhr da stand wieder der Gastwirth da und holte uns ab ins Gasthaus zum schwarzen Roß da wurden wir gut verköstigt, wir sind 2½ Tage dagewesen es ging aber nicht frey wir mußten beinah 3 [fl] bezahlen und ich hatte kein Kreuzer Geld mehr wo ich doch ziemlich Geld bei hatte in Frankfurt mußte ich Tag und Nacht zehren und mußte 2 [fl] 34 [kr] überfracht zahlen, weil nicht mehr als 1 Ctr frei mit genommen wurde, [...] Lieber Vater wir waren glücklich die meisten mußten noch 14 Tage warten weil so viele da waren Textor wurde vorgezogen das war gut da kamen wir fort. zu bemerken, ich will jeden aufmerksam machen, daß wer nach Amerika will machen, soll sich an Textor wenden und die Reise über Frankfurt nach Bremen machen, da ist Reelle Bedienung; denn 3ten Mai Abens 7 Uhr sind wir mit dem Kahn nach Bremerhafen wo wir den 4tn Mai Mittags 12 Uhr ankamen wir hatten guten Wind [...] zu bemerken daß wir nicht auf das Schiff Wieland gekommen sind; sondern auf das große Schiff Johann Lange und Kapitän Lamke hieß, es war fast das schönste Schiff das auf der See fuhr es war ein Dreimaßter und war lang 225 Fuß u. 42 Fuß breit die Maßtbäume vom verdeckt 165 Fuß hoch da könnt ihr euch leicht denken, was es vor ein Schiff war, es waren 550 Personen drauf u. 35 Mattrosen mit 3 [st]euer Männer den 6ten Mai Nachmittags 3 Uhr sind wir auf die See gefahren den [7]ten Morgens ging der spaß los da brach zum erstenmal die Seekrankheit aus, nähmlich das brechen u. schwinden. Lieber Vater ich bin 8 Tage Krank gewesen wo ich keine Lust hatte zum Essen

     Jeden Tag haben wir Fleisch bekommen Ochsen u Schweine Fleisch aber ich konnte keins Essen als Schweinefleisch es gab Reis Bohnen Erbsen und blau GersteSupp wo wir in jede Supp Essig schitten mußten sonst konnte wir keine Essen des Morgens gabs Kaffe des Abens The o. wehe wer eine gute Natur hatte der konnte sich Fett Essen aber ich konnte es nicht es war gut daß ich Kaffe und Zweschen bei mir hatte [7 Z.: Schiffsunglück; Sturm] wenn wir ein wenig guten Wind gehabt hätten wären wir in 4 Wochen angekomen, aber so hatten wir 6 Wochen gefahren, wir sind auch an 5 Eisglüppen[2] vorbei zu Zeiten wo es selten der fall ist [11 Z.: Schiffsunglück; Lotse kommt 13. 6. an Bord; Sturm] den 17 Juni Morgens sahen wir Land, da wurde geschrien Land Land abermal Land des Mittags um 12 Uhr kamen wir in den Hafen aber so hatte ich noch nichts gesehen Da glaubt ich man guckt in ein Wald hinein da war es Freude auf Freude das könnt Ihr euch denken, nun geht es weiter.

     Wie wir von den Dockter untersucht waren da ging August Reichold zu seine Gebrüder und wir trugen unsre Kästen aufs Verdeck sie wurden untersucht da kame[n] die Gebrüder Reichold unsre Kästen wurden gleich aufgeladen u. an Ort u. Stelle gebracht ich hab die Nacht bei Anton seinen Bruder geschlafen und Christian.

     Des andern Mittag sind wir nach Astoria gegangen zu seinem Bruder er war nicht zu Hause, ich ging alleine fort, und wolte die andern suchen, ich sah Heinrich Schlörb bei seinem Hause stehen, er wurde mich gewar, da war er in einem großem Vergnügen und glaubte doch nicht, daß ich wär. Er und seine Frau hatten mich höflich empfangen, ich mußte bei ihm bleiben, und sagte du leibt hier solange bis du Arbeit bekommes, des anden Tages gingen wir in die Fabrick wo Schlörb sprechen mußte vor mich weil er mit ihm sprechen konnte es wird Englich gesprochen wer war froher als ich Lieber Vatter hier sind wir in Amerika zuhaus mein Verlangen sehnte gleich dahin ich hatte doch gleich [Arbeit] es ist noch nicht gesagt, daß ich dableibe: Nein aber ich mußte ich hatte kein Kreuzer Geld Elisa Reichhold hat mir in Bremen schon 3 [fl] leihen müssen, traurig ist es wer nach Amerika reißt und hat kein Kreuzer Geld und hat keine Freunde u. bekannte mir hat es Geglückt den tausende gehen darum und liegen auf Straßen besonders diejenige die von der Stadt hergeschaft werden, Johs Meiski ist auf dem Schiff gestorben wie wir gehört haben. Lieber Vater ich bitte Gott täglich er möge mich Gesund lassen, den hier herscht viele krankheiten nämlich die Cholera Fieber aller Art viele sterben auch am Sonnenstich da stürzen sie zusammen und sein Tod weil es hier zu warm ist bald kühl bald heiß, Lieber Vater u. Bruder wenn ich gesund bleibe dann verdiene ich hier ziemlich Geld denn es heißt aller Anfang ist schwer, ich gehe bei Heinrich Schlörb in die Kost und muß alle 14 Tage 5 Dollar bezahlen das ist hier das wenigste es gefällt mir hier sehr gut, denn hier werden so keine Depig[3] gemacht wie ihr vieleicht glaubt die Stühle sind so eingerichtet als wie dem Georg Leuker sein Stuhl es ist kein schnellschuß sondern es wird mit der band gearbeitet wie die Leinweber in einem Tag hatte ich gelernt es geht jetzt als pflügen wir davon. Lieber Vater wie wir gehört haben ist bei euch so Theuer daß ihr es nicht gut fertigt bringt, ich wollte wünschen ihr währet alle bei mir denn ging es auch gut, hier haben wir viel zu essen, es ist auch theuer hier, wenn ich in 4 auch 6 Wochen verdient haben so schicke ich euch daß ihr euch helfen könnt, ich verlasse euch nicht das braucht ihr nicht zu denken, ich schreibe euch nochmals seid nur Einig zusammen u. tröstet euch lieber Georg steh deine Eltern nicht ab und deinen Großvater helfe ihnen wo die[4] kannst Grethgen sei du auch braf u. sei fleißig u. gehorsam. und du kleiner lieber Petter sei du auch braf. lieber Bruder u. Schwägerin verlaßt mein Alter Vatter nicht u. seid Einig zusammen ich verlasse euch nicht wenn ich Gesund bleibe.

     Ich kann nicht mehr schreiben wenn ich euer Elend betrachte in Deutschland mir kommt das Weinen. Lieber Vater Bruder Schwägerin u. Kinder Grüßet mir alle gute Freunde u. Bekannte unsre ganze Freundschaft, u. Kaspar Spamer u. seine Frau Grethgen u. Johannes Leunig mein Petters Georg 14 u. sein Christigen [5 Z.: Weitere Freunde und Bekannte] ich kann weiter noch nichts schreiben weil ich noch nicht lange hier bin. Georg Göbel wenn du kommen willst so ko[mm] aber es heißt schafft dir Geld an, schließlich muß ich bemerken machet euch Vergnügen auf den Sommermark[5] den bei uns ist hier kein Vergnügen zu suchen wir gehen nicht aus dere Art Lustbarkeit, heißt es, gibt nur ein Deutschland. Lieber Vater schreibet mir gleich Antwort und macht ihn nicht Frey hier kost der Brief 22 zent das ist nach deutschengeld 36 [Kr] die Adreß lautet an Martin Weitz in Astoria in der Kapertfeckterie[6] ich kann nicht mehr schreiben.

     Ein herzlichen Gruß von Eurem Sohn und lebet alle wohl ich vergesse euch nicht. Vergesst mich auch nicht u. behalt mich stets in Andenken

Martin Weitz.

 

[Nachschrift an] Konrad Weitz (V.) auf dem Berg bei Georg Mahr.

     ich hätte euch gerne was mit geschickt aber ich kann noch nicht ich hätte euch eine Brief allein geschrieben und ich will euch die kosten sparen, ich werde auch in Astoria in die Mußickstunde gehen, hier ist Mußick da muß man Respeckt davor haben.

     mit dem Leuning seiner Frau könnt Ihr einen Brief mitschicken oder thut Ihr ihn gleich auf die Post. [4 Z.: Erwartet Nachrichten; Grüße von Schlörb und Leuning]

 

[1]           Dorf auf Long Island

[2]           Eisklippen ‘Eisberge’

[3]           Teppiche

[4]           du?

[5]           Schottener Volksfest

[6]           carpet factory