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Ergebnisse und Diskussion

Die formellen Briefe, die Leopold und Wolfgang Amadeus Mozart an ihre jeweiligen Gesprächspartner schreiben, unterscheiden sich ganz allgemein durch diverse Auffälligkeiten in Sprache und Inhalt von den informellen Briefen.

Um diese Auffälligkeiten bestmöglich darzustellen, wird nachfolgend auf die verschiedenen Merkmale des Nähe-Distanz-Modells von Koch/Oesterreicher eingegangen und mithilfe dieser erläutert, ob und inwiefern sich die Adressaten der ausgewählten Briefe auf den sprachlichen Ausdruck und weitere Phänomene im Geschriebenen auswirken.

 

Bezüglich des Merkmals Dialog können die Briefe von Leopold an Anna Maria und Wolfgang Amadeus und Wolfgang Amadeus an Nannerl eindeutig der Sprache der Nähe zugeordnet werden. Unter anderem werden vorangegangene Briefe erwähnt, es werden persönliche Fragen gestellt, es wird von Alltäglichem berichtet und Ratschläge für Bevorstehendes erteilt.

  • Ich erhielt des lieben Wolfg. Schreiben heute vormittag mit gröstem Vergnügen (Leopold, 1777, Z.5)
  • Wenn ihr von München abgehen solltet, ohne es mir benachrichten zu können, so müst ihr einen Zettl auf der Post in München lassen. wo darauf stehet: Wenn Briefe mit folgender adresse anlangen sollten. à Mr: Wolfgang Amadé Mozart Maitre de Musique so ersuche solche nach Augspurg zum Lamb=wirth in der hl: Kreu[zer=] gasse, lauffen zu lassen.(Leopold, 1777, Z.78ff.)
  • Durch den lezten brief unsers lieben vatters habe vernomen daß du krank seÿest, (Wolfgang Amadeus, 1781, Z.5)
  • glaube mir, liebste schwester, im allem Ernste, daß die beste kur für dich ein Man wäre (Wolfgang Amadeus, 1781, Z.9f)
  • rede nur bald mit dem d'yppold, und gieb mir gleich anleitung, den wie eher man die sache zu betreiben anfängt, desto besser. (Wolfgang Amadeus, 1781, Z.37f.)
  • könte den d'yppold hier nichts für sich zuwege bringen(Wolfgang Amadeus, 1781, Z.24)
  • ich hoffe im künftigen brief von Papa bessere Nachrichten von deiner gesundheit zu lesen – und bald durch deine eigene handschrift davon ganz überzeugt zu werden. (Wolfgang Amadeus, 1781, Z.45ff.)

Als nächstes Kriterium wird jenes Merkmal der Vertrautheit im Modell von Koch/Oesterreicher angeführt. Hierbei geht es vor allem darum, dass private Themen und alltägliche Begebenheiten (Krankheit, Liebesleben, Berufsleben, Erfolge, Niederlagen) in den Briefen angesprochen werden. Auch diverse Personen, wie Freunde und Bekannte der Familie werden namentlich erwähnt. Auffällig ist zudem, dass emotional aufgeladene Adjektive und Phrasen den Briefen einen besonders persönlichen Charakter verleihen.

  • mit gröstem Vergnügen; und nun eben laß (Leopold, 1777, Z.5)
  • lachte von Herzen (Leopold, 1777, Z.6)
  • Bin höchst vergnügt wenn ihr wohlauf seyd (Leopold, 1777, Z.6f.)
  • Nachdem ihr abgereiset, gieng ich sehr Math über die Stiege (Leopold, 1777, Z.8)
  • um unsern Abschied nicht schmerzlicher zu machen (Leopold, 1777, Z.10)
  • endlich kam ihr ein Erbrechen und sie spieb dapfer, (Leopold, 1777, Z.16)
  • So vergieng dieser traurige Tag, den ich in meinem Leben nicht zu erleben glaubte (Leopold, 1777, Z.28)
  • Ich und die Nannerl empf. sich der Mamma und Kissen dich und sie Million mal (Leopold, 1777, Z.98)
  • daß du krank seÿest, welches mir keine geringe Sorge und kumer macht (Wolfgang Amadeus, 1781, Z.5f.)
  • wünschte ich von herzen daß du bald heÿrathen köntest (Wolfgang Amadeus, 1781, Z.11.)
  • dan könten wir wieder recht vergnügt zusamen lebe(Wolfgang Amadeus, 1781, Z.31)
  • ich küsse dich 1000 mal und bin Ewig dein unveränderlicher dich von herzen liebender bruder (Wolfgang Amadeus, 1781, Z.48f.)

Für das nächste Merkmal Interaktion sind besonders die Anrede- und Verabschiedungsfloskeln von großer Wichtigkeit.

  • Meine beÿde lieben! (Leopold, 1777, Z. 4)
  • addio (Leopold, 1777, Z.99)
  • Ma trés chere soeur! (Wolfgang Amadeus, 1781, Z.4)
  • Adieu (Wolfgang Amadeus, 1781, Z.48)

Ein weiterer essenzieller Aspekt in der Auffälligkeit der Sprache der Nähe ist die freie Themenentwicklung. Es wird sich hierbei nicht auf einzelne Themen fokussiert, sondern es gilt eine gewisse Sprunghaftigkeit der Themen in den Briefen. Die Entwicklung der Themen folgt also nicht bestimmten Richtlinien, sondern der Schreiber fasst jene Angelegenheiten zusammen, die ihm gerade in den Sinn kommen – Sie erfolgt frei. Besonders im Brief von Leopold an seine Frau Anna Maria ist die Vielzahl an angesprochenen Angelegenheiten ersichtlich. Es wird über die Krankheit ihrer Tochter und die Tagesabläufe zwischen Privatleben und Wolfgangs Karriere gesprochen. Immer wieder bittet er seine Frau, diverse Anweisungen zu befolgen und beispielsweise wichtigen Leuten Grüße zu vermitteln.

  • Nun muß ich schliessen den ich muß noch dem Papa schreiben; –
    lebe wohl, liebste schwester! (Wolfgang Amadeus, 1781, Z.44f.)

​​​​​​Die letzte untersuchte Merkmalskategorie fokussiert sich auf die Spontanität, mit welcher die informellen Briefe der Mozart-Familie verfasst wurden. Hierbei fallen die religiösen Ausdrücke auf, die in Form von sprachlichen Einschüben auftreten und besonders für die mündliche Alltagssprache bekannt ist. Weiters sind spontane Themenwechsel oder Briefenden charakteristisch für die Sprache der Nähe.

  • ich befinde mich, Gott Lob, nun viel besser (Leopold, 1777, Z. 7)
  • dann giengen wir, in Gottes nahmen, schlaffen (Leopold, 1777, Z. 28)
  • Nun muß ich schliessen den ich muß noch dem Papa schreiben; –
    lebe wohl, liebste schwester! (Wolfgang Amadeus, 1781, Z.44f.)

Die formellen Briefe unterscheiden sich nicht nur zu den informellen Briefen wesentlich, sondern differenzieren sich auch untereinander grundsätzlich. Während Leopold Mozarts Brief an den Musikverlag Breitkopf/Härtel in höchstem Maß formell erscheint und die Merkmale von Koch/Oesterreichers Sprache der Distanz nahezu zur Gänze erfüllen, ist jener formelle Brief von Wolfgang Amadeus an den Geheimrat Anton Klein ein Durcheinander von formellen und informellen Merkmalen.

 

Das Nähe-Distanz-Modell beginnt bezüglich der Sprache der Distanz mit dem Aspekt Monolog und kann als Gegensatz zum informellen „Dialog“ angesehen werden. In beiden formellen Briefen, sowohl von Leopold als auch von Wolfgang Amadeus, werden jedoch auch Merkmale des Dialogs eingebracht. Beispielsweise werden Fragen an den Adressaten gestellt, was dem Merkmal des Dialogs zuzuordnen ist, jedoch zielen diese Fragen hauptsächlich auf Geschäftliches ab und nicht, wie in den informellen Briefen, auf Fragen nach dem Wohlbefinden oder persönlichen Interessen.

  • wo ich zur Markt=Zeit durch h: Schwarzkopf, wenn sie was zu ordinieren belieben, Nachricht erwarte (Leopold, 1781, Z. 8f.)
  • ich bekamm ihre 2 briefe lezten Postage mit einander. (Wolfgang Amadeus, 1785, Z.7f.)
  • ich hoffe mir über diesen Punckt eine erläuterung von ihnen. (Wolfgang Amadeus, 1781, Z.20f.)
  • im falle es mir Lust machen sollte es in Musik zu setzen, so wünschte doch vorher zu wissen, ob es eigentlich an einem orte zur auführung bestimmt seÿe? (Wolfgang Amadeus, 1781, Z.17ff.)

Als nächsten Aspekt der Sprache der Distanz nennen Koch/Oesterreicher die Fremdheit. Hierbei kann die Wortwahl in den Briefen hergenommen werden, indem sich die Schreiber gehobener und distanzierter ausdrücken. Weiters werden auch mehr Modalverben und Konjunktivformen verwendet, Adjektive werden hingegen nur sperlich eingesetzt. Indem Leopold in seinem Brief an Breitkopf/Härtel betont, dass er sich zur Zeit des Brief-Verfassens in München befindet schafft er nicht nur eine sprachliche, sondern auch eine räumliche Distanz.

  • Ich habe die Ehre ihnen aus München zu schreiben (Leopold, 1781, Z. 5f.)
  • Längst schon wünschte ich, daß sie etwas von meinem Sohne in Druck geben möchten. (Leopold, 1781, Z. 10f.)
  • Sie könnten es mit einem paar Synfonien, – oder ClavierSonaten versuchen (Leopold, 1781, Z. 15f.)

Wie bereits die Erläuterung der Anrede- und Verabschiedungsfloskeln im Interaktionsaspekt in der Sprache der Nähe herangezogen wurde, so können diese auch im nächsten Merkmal Trennung erkannt werden.

  • HochEdl insonders Hochgeehrtester Herr! (Leopold, 1781, Z. 3f.)
  • Euer HochEdl: ergebenster dr (Leopold, 1781, Z. 22f.)
  • Herr Schätzbarester Herr geheimer Rath! (Wolfgang Amadeus, 1781, Z.2)
  • dero gehorsamster diener (Wolfgang Amadeus, 1781, Z.54)

Die festen Themen, die in den formellen Briefen aufgegriffen werden, behandeln sowohl bei Leopold als auch bei Wolfgang Amadeus nahezu nur Geschäftliches. Wolfgang nimmt in seinen Brief zudem jene Thematik der deutschen Oper im Allgemeinen auf. Im Gegensatz zur freien Themenentwicklung in den informellen Briefen behandelt die Sprache der Distanz das feste Thema, welches sich lediglich auf eine geringe Themenanzahl stützt.

 

Das Merkmal der Öffentlichkeit ist in unserer Analyse schwierig auf das Gelesene zu übertragen. Man kann jedoch die Tatsache, dass Leopolds Brief an Breitkopf/Härtel an eine Firma geschrieben wurde, diesem Merkmal zuordnen, da dieser Brief innerhalb des Verlags öffentlich war und von bestimmten Mitarbeiter*innen eingesehen werden konnte.